Blog-Layout

Ein Hoch auf den Gesamtüberblick: Synoptik und Führung

5. Februar 2024

Warum der Blick aufs große Ganze für Unternehmensanalyse und Veränderungsmanagement unverzichtbar ist

Bild oben: Beispiel für eine synoptische Wetterkarte - die Luftdruckverteilung über Mitteleuropa

Lokale Ereignisse werden von übergeordneten Prozessen beeinflusst. Das betrifft die Atmosphäre ebenso wie das Unternehmen. Demzufolge ist es in beiden Fällen wichtig zu wissen, was “da oben” so alles passiert. Um zu verstehen, welche Relevanz die Betrachtung des “da oben” hat, muss man sich der unterschiedlichen Größenordnungen bewusst sein, in denen man sich in der Meteorologie bewegen kann. Lassen Sie mich das daher an dieser Stelle erläutern:


Mikroskala - Mesoskala - Synoptische Skala


In der klassischen Meteorologie macht man sich bei der Betrachtung raumzeitlich unterschiedliche Skalen zunutze, um atmosphärische Phänomene zu beschreiben. Es gibt die Mikroskala (kurze Lebensdauer und bis etwa 1 Kilometer Ausdehnung), auf der sich sehr kleinräumige Begebenheiten abspielen, wie beispielsweise die im Frühjahr und Sommer so beliebten Cumuluswolken, auch Schönwetterwolken oder Schäfchenwolken genannt. Im Unternehmen wäre eine “kurzfristige, kleinräumige Betrachtung” zum Beispiel die Analyse eines Teammeetings.


Von der Mesoskala (mittelfristige Lebensdauer und bis etwa 1.000 Kilometer Ausdehnung) spricht man, wenn man sich Niederschlagsbänder oder lokale/regionale Windsysteme ansieht. Übertragen ins Unternehmen wäre das die Betrachtung der Zusammenarbeit von Abteilungen.


Für uns und diesen Blog-Beitrag entscheidend ist die synoptische Skala (langfristige Lebensdauer und mit einer Ausdehnung von etwa 1.000 bis 10.000 Kilometern). Sie ist relevant, will man Hoch- und Tiefdruckgebiete, Jetstreams oder Frontensysteme untersuchen bzw. beschreiben. Im Unternehmen wäre dies die Betrachtung der Neustrukturierung von Geschäftsbereichen oder sogar der gesamten Firma.


Wer die konkreten Auswirkungen im Kleinen prognostizieren möchte, muss das große Ganze verstehen


In der Meteorologie wird man sich für die Erstellung einer Vorhersage oder für die Betrachtung der Wetterlage systematisch von der synoptischen Skala (großräumig) weiter nach unten (kleinräumig) arbeiten. Erst wenn man weiß, wo die jeweiligen Druckgebilde liegen oder wie die großräumigen Temperaturverläufe sind, kann man sich zu den wahrscheinlichen Auswirkungen an einem bestimmten Ort Gedanken machen. Eine sehr beliebte synoptische Karte ist die der aktuellen Luftdruckverteilung. Diese lässt einen u. a. sehr schnell erkennen, woher und wie stark die Winde jeweils wehen. Um es kurz zu machen und etwas zu vereinfachen: Um ein Tiefdruckgebiet weht der Wind gegen den Uhrzeigersinn, um ein Hochdruckgebiet weht der Wind im Uhrzeigersinn. Zumindest auf der Nordhalbkugel. Untenrum (auf der Südhalbkugel) ist es genau andersrum. Und je enger die Isobaren beieinanderliegen, desto stärker weht der Wind. Nun wollen wir uns aber nicht zu sehr darin verlieren, sondern lieber wieder die spannenden Parallelen zum Unternehmen ziehen.


Die Strategie bestimmt, was konkret vor Ort passiert


Auch im Unternehmen sollte man den Blick zuerst einmal darauf richten, was “im großen Ganzen” passiert. Wo liegen die unterschiedlichen “Wettergebiete”, im Sinne von übergeordneten Themen? Wer und was wird von wo beeinflusst? Welche langfristigen Trends gab und gibt es? Im nächsten Schritt kann man dann basierend auf bekannten Gesetzmäßigkeiten mögliche Auswirkungen nach unten und in die Zukunft prognostizieren. Das kann in manchen Fällen relativ leicht fallen und mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden. Die Aufgabe eines bestimmten Markt- oder Produktsegments wird in der Folge einen Abgang damit vertrauter Mitarbeiter:innen zur Folge haben. Und ich spreche hierbei überhaupt nicht von Entlassungen, sondern davon, dass Menschen sich und ihre Themen nicht gerne abgewertet sehen und daraus sicherlich Konsequenzen ziehen werden. Externe oder interne Kündigung zum Beispiel.


Sogar mit eindeutigen Formeln und Supercomputern kann man die Zukunft nicht 100%-ig vorhersagen


Die Meteorologie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten von einer rein beobachtenden Naturwissenschaft in ein mathematisch-physikalisches Spezialgebiet weiterentwickelt. Supercomputer werden mittlerweile mit einer schier unüberschaubaren Menge an Daten gefüttert, unterschiedlichste Wettermodelle (hier jene des Deutschen Wetterdienstes - DWD) kalkulieren basierend auf den Eingaben mögliche weitere Entwicklungen und am Ende kann man sich sicher sein, dass es ganz genau so nicht kommen wird. Also nicht zu 100 %. Das kann jeder nachvollziehen, der schon einmal etwas von Chaostheorie oder vom berühmten Schmetterlingseffekt gehört hat. Beides sehr schön hier in diesem Video erklärt.


Wir müssen also festhalten, dass man trotz aller Berechenbarkeit, welche die Meteorologie als mathematische Naturwissenschaft ausmacht, niemals alles exakt vorhersehen kann. Wie kompliziert ist dies dann erst in einem System, welches sich nicht deterministisch verhält, (noch) nicht mit Formeln beschrieben werden kann und dessen Gleichungen sich nicht mit Supercomputern lösen lassen - also in einer von Menschen geprägten Organisation? Es ist sehr schwierig, aber nicht unmöglich. Denn es geht immer um Wahrscheinlichkeiten. Wäre ich in der Lage, beim Roulette mit 51 % Wahrscheinlichkeit die richtige Farbe vorherzusagen, würde ich sofort mit dem Spielen beginnen, denn langfristig würde ich definitiv Gewinn machen.


Wahrscheinlichkeiten entscheiden über Erfolg und Misserfolg


Es geht also weder in der klassischen Meteorologie noch in der Organisations-Meteorologie darum, alles exakt zu 100 % prognostizieren zu können. Dieses Ziel wird man niemals erreichen, weil man niemals den Ausgangszustand zu 100 % erfassen kann. Es geht darum, mit einer möglichst großen Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, was wohl geschehen wird. Denn selbst wenn man (ein paar) Mal falsch liegt, wird man langfristig und daher im Gesamtergebnis richtig liegen. Im Unternehmen bedeutet dies, möglichst viele der richtigen Daten (Input) zur Verfügung zu haben, um ein mit hoher Wahrscheinlichkeit richtiges Ergebnis (Output) prognostizieren zu können.


Auch wenn dies in einem von “unberechenbaren Menschen” definierten System - dem Unternehmen - noch mal deutlich schwieriger ist als in der “berechenbaren Natur”, gibt es eine ganz wichtige Gemeinsamkeit beider Welten - der Blick aufs große Ganze ist ganz entscheidend für die Zukunft.


Mit heiteren Grüßen,


Michael Wohlstein

Organisationsmeteorologe

*Die "0" sorgt beim Roulette dafür, dass in der Realität langfristig nur die Bank Gewinn macht, denn die Chance auf Rot bzw. liegt durch die "0" jeweils knapp unter 50%, also anders als in diesem ansonsten tollen Video beschrieben

1. August 2024
Erfahren Sie, warum diesmal nicht die wirtschaftliche Lage bei der US-Wahl entscheidend sein wird. Stattdessen werden sich selbst verstärkende Dynamiken, vergleichbar mit meteorologischen Phänomenen, den Ausschlag geben. Besonders die latente Energie an der demokratischen Basis und die daraus resultierende Begeisterung werden Kamala Harris zur ersten Präsidentin der USA machen.
23. Juli 2024
Erfahren Sie, wie Führungskräfte durch die genaue Beobachtung meteorologischer Phänomene, insbesondere Warm- und Kaltfronten, wertvolle Einsichten für das Change Management gewinnen können. Entdecken Sie die Parallelen zwischen Wetterveränderungen und organisatorischen Wandelprozessen und erhalten Sie konkrete Managementstrategien für allmähliche und für disruptive Veränderungen.
Symbolbild zum Thema numerische Methoden
3. Juli 2024
Entdecken Sie, wie mathematische Modelle die Wettervorhersage revolutionierten und welche Lehren für das Management gezogen werden können. Erfahren Sie die Bedeutung von Formeln und Datenanalyse in der Meteorologie und deren Anwendung in Unternehmen.
Jetstream (250 hPa) vom 13.05.2024
10. Juni 2024
Erfahren Sie, wie die Verhältnisse in der obersten Etage von Unternehmen und in der Atmosphäre ähnliche Dynamiken aufweisen. Entdecken Sie die Bedeutung von Jetstreams und strategischen Strömungen für nachhaltigen Erfolg.
Höhe der Wolkenuntergrenze in Metern über dem Meeresspiegel (02. Mai 2024, 16.00 Uhr CEST)
3. Mai 2024
Entdecken Sie die Bedeutung von Handlungsspielraum in der Luftfahrt und im Unternehmen. Erfahren Sie, warum ausreichende Freiheitsgrade entscheidend für den Erfolg sind und wie gute Vorbereitung Stress und Fehler minimiert.
Sichtweiten in Metern an unterschiedlichen Messstationen;
10. April 2024
Erfahren Sie, warum klare Sicht so entscheidend für den Unternehmenserfolg ist. Entdecken Sie die Parallelen zwischen Wetterbedingungen und Unternehmensführung und lernen Sie, wie Sie als Führungskraft die Sichtweite in Ihrem Unternehmen erhöhen können.
Signifikante
13. März 2024
Erfahren Sie, warum Turbulenzen kein Grund zur Sorge sind und wie Führungskräfte so wie Pilot:innen effektiv mit unruhigen Bedingungen umgehen können. Tipps und Strategien für ein ruhiges und sicheres Navigieren.
Standbild einer Windanimation über Europa vom 22. Februar 2024 um 12:10 Uhr
21. Februar 2024
Entdecken Sie, wie Temperaturunterschiede Wind und Dynamik in der Atmosphäre erzeugen und was man als Führungskraft daraus lernen kann.
Der Autor in seiner
17. Januar 2024
Willkommen beim Unternehmenswetter-Blog! Entdecken Sie die spannende Verbindung zwischen Meteorologie und Organisationsberatung. Erfahren Sie, wie Wetteranalysen helfen können, das Verhalten und die Dynamik in Unternehmen zu verstehen.
Share by: